Der Rockerclub von Schönau

Dabei wollten sie doch nur Motorrad fahren und Tattoos stechen: Wie ein Rockerclub aus dem kleinen Örtchen Schönau vertrieben wird.
Die Aufregung war groß dieser Tage, in einer oberbayerischen Gemeinde, von der bis dato noch nie jemand etwas gehört haben dürfte. Die Rede ist vom idyllisch gelegenen Schönau bei Tuntenhausen. Stein des Anstoßes: Kürzlich hat dort der berüchtigte Rockerclub Hells Angels ein neues Clubheim eröffnet. Die Bürger sollen seither in Angst leben, sogar von „Geschäftsschädigung“ ist die Rede. Man scheint entschlossen, die Rocker schnellstmöglich wieder loswerden zu wollen. Wir beschlossen daher, der Sache auf den Grund zu gehen. Schnell kam ans Tageslicht: Die kleinbürgerliche Entschlossenheit der Schönauer ist nur die halbe Wahrheit.
Sind die Rocker wirklich so schlecht, wie immer alle sagen? Wir waren in Schönau vor Ort und haben mit den Betroffenen beider Seiten gesprochen.
Als Erstes suchen wir das Gespräch mit dem amtierenden CSU-Bürgermeister Georg Weigl, den wir zufällig vor dem Rathaus auf der Straße treffen. Dieser zeigt sich uns gegenüber jedoch nicht besonders gesprächig und wimmelt uns wutentbrannt mit folgenden Worten ab:
Ich lass mir von diesen Rockern doch nicht das Geschäft vermiesen! Das ist unser Revier! Geldkoffer sind und bleiben in Bayern alleine Sache der CSU!
Anschließend macht er auf dem Absatz kehrt und stapft in Richtung Rathaus davon. Voller Verwunderung über diese Reaktion zurückgelassen, beschließen wir kurzerhand, uns zum Schönauer Clubhaus der Motorradrocker zu begeben. Aber auch hier will niemand mit uns sprechen. Die Fassade des Gebäudes offenbart sich uns in fahlem Weiß; der Schriftzug des Tattoostudios währte nicht lange und wurde kürzlich in Eile überstrichen. So sehr wir auch klingeln, niemand öffnet uns. Als wir gerade wieder gehen wollen, fährt ein Mann auf einem Motorrad vor. Als er von seinem Feuerstuhl abgestiegen ist, sprechen wir ihn an. Er ist groß, kräftig und trägt eine schwarze Lederkutte, genau wie man sich so einen richtigen Rocker eben vorstellt.
Er zögert, sieht sich scheinbar ängstlich in alle Richtungen um, will an uns vorbeigehen, entschließt sich aber dann doch, mit uns zu sprechen. Er heißt Günther (Name von der Redaktion geändert), mehr möchte er nicht von sich preisgeben.
Günther, was waren eure Beweggründe, nach Schönau zu kommen?
Ehrlich gesagt wollten wir hier nur in Ruhe Motorradtouren unternehmen, den Bergblick genießen und Tattoos stechen. Wir haben uns darauf gefreut, mit der Dorfjugend zu grillen und gemeinsam an Motorrädern herumzuschrauben. Der Gedanke war, dass diese jungen Menschen ja bisher nur Ochsenkarren und Traktoren als Fortbewegungsmittel kennen. Aber dann kam alles anders. So haben wir uns das nicht vorgestellt.
Was ist denn passiert?
Das ging schon los, als wir im Juli unsere Eröffnungsfeier hatten. Überall war Polizei und die haben jeden Einzelnen von uns kontrolliert. Einer von uns wurde sogar von Polizisten gedemütigt, weil er einen SPD-Aufnäher auf seiner Kutte trug. Ein Beamter hat ihn angeschrien, ob er denn nicht wisse, dass die SPD tot sei. Die anderen haben gelacht. Als er sich dann völlig zu recht widersetzte, haben die ihm einfach sein Brotzeitmesser abgenommen und ihn verhaftet.
Das klingt ja in der Tat ungeheuerlich. Wie ging es dann weiter?
Die Leute hier in Schönau waren ganz nett zu uns und wir auch zu ihnen. Wir haben uns willkommen gefühlt und uns häuslich eingerichtet. Doch dann haben uns „die Amigos“ einen Besuch abgestattet.
Die Amigos?
Ja. Die kamen mit einem schwarzen SUV vorgefahren. Vier unfreundliche ältere Typen im Janker stiegen aus. Der Rädelsführer trug Gummistiefel und kam sofort zur Sache.
Was wollten die?
Die meinten, entweder wir kooperieren und liefern an sie ab, oder sie machen uns fertig. Sie sagten, sie würden hier alles kontrollieren, selbst die Polizei. Dann haben sie uns gezwungen, in jedem Stockwerk ein Jesuskreuz und ein Bild von Franz Josef Strauß aufzuhängen. Wir hatten echt Angst und waren alle froh, als sie wieder weg waren. Allerdings sagten sie, sie kämen wieder.
Wie gehts jetzt weiter?
Wir werden uns wieder von hier verziehen. Hinter all dem steckt die CSU. Die wollen wir auf keinen Fall supporten. Dafür sind wir einfach nicht kriminell genug. Außerdem haben die es innerhalb von kürzester Zeit geschafft, die Bevölkerung von Schönau gegen uns aufzubringen. Mittlerweile stehen wir hier unter ständiger Beobachtung. Mehr möchte ich dazu auch gar nicht sagen. Das ist mir alles viel zu gefährlich.

Möchte aus Angst vor der CSU anonym bleiben: Motorradrocker Günther
Nachdem wir uns von Günther verabschiedet haben, erspähen wir einen älteren Mann mit einem Dackel, der sich in etwa sieben Metern Entfernung mit einem Fernglas postiert hat. Er scheint tatsächlich das Clubheim der Rocker zu beobachten. Wir gehen zu ihm und stellen ihn zur Rede.
Entschuldigen Sie die Störung, aber was machen Sie da?
Kommen Sie mir nicht zu nahe oder ich hetze Waldi auf Sie!
Ok schon gut. Waldi sieht wirklich gefährlich aus. Warum beobachten Sie das Clubhaus?
Ach wissen Sie, ehrlich gesagt läuft zwischen meiner Frau und mir schon lange nichts mehr.
Oh, das tut uns leid. Aber inwieweit steht das mit ihrer augenscheinlichen Observation der Rocker in Zusammenhang?
Nun ja, es hieß damals bei deren Eröffnungsfeier, dass eine Oben-ohne-Tänzerin auftreten wird. Ich hatte da noch kein Fernglas und hab alles verpasst. Meine Augen sind einfach nicht mehr die besten. Sie wissen ja, das Alter… Gleich am darauffolgenden Montag bin ich mit meinem SUV nach Rosenheim gefahren, um mir einen anständigen Feldstecher zu kaufen. Ich sag ihnen, diese Parkhäuser dort, viel zu wenige und dann auch noch so eng! Eine Zumutung! Und dann war nirgendwo in der ganzen Stadt ein Fernglas aufzutreiben! Die Verkäufer waren alle ziemlich lustlos und inkompetent, deshalb hab ich mir dann eins bei Amazon bestellt.
Und seitdem beobachten Sie?
Ja, ich stehe hier bis zu acht Stunden täglich, in der Hoffnung, dass mal wieder so eine Oben-ohne-Tänzerin auftritt. Wissen Sie, Schönau hat ja sonst nicht viel zu bieten.
Sie beobachten also gar nicht, um eventuelle Straftaten der Polizei zu melden?
Ach wo. Diese Rocker sind doch alle total nett und friedlich. Ich hatte mit denen noch nie ein Problem und Waldi auch nicht. Die spielen sogar manchmal Stöckchenwerfen mit ihm. Aber jetzt würde ich gerne ungestört weiterbeobachten.
Alles klar, vielen Dank für Ihre Zeit!

Waldi beim unbeschwerten Spielen mit den offensichtlich netten Rockern.
Wir bewegen uns weiter und durchqueren den nicht vorhandenen Ortskern von Schönau. Der kleine Ort wirkt beinahe wie eine Geisterstadt an diesem sonnigen Nachmittag. Auf dem Rückweg zum Wagen begegnen wir einem jungen Pärchen. Sie heißen Nils und Rosemarie. Während Nils eher schüchtern wirkt, gibt sich Rosemarie offen und gesprächsbereit.
Rosemarie, was sagst du als Schönauerin der jüngeren Generation zur Eröffnung des Clubheims der Hells Angels?
Wir haben uns gefreut, als wir es erfahren haben. Endlich ein Tattoostudio! Darauf haben wir jahrzehntelang gewartet. Aber nun gehen sie wieder weg, der ganze Traum zerplatzt. Daran ist nur diese verdammte CSU schuld!
Warum denkst du, dass das so ist?
Die Rocker hätten endlich Wohlstand sowie technischen und kulturellen Fortschritt nach Schönau gebracht. Aber die CSU will das nicht! Sie lehnen Fortschritt grundsätzlich ab und erlauben nur das, was ihnen selbst Wohlstand bringt. Da passt ein Tattoostudio einfach nicht ins Konzept…
Rosemarie kämpft mit den Tränen, Nils muss sie stützen.
Wo sollen sich denn die Menschen von Schönau jetzt tätowieren lassen? Uns wird jegliche Perspektive geraubt…
Das ist wirklich traurig.
Es kommt noch schlimmer. Mit diesen Typen ist nicht zu spaßen. Als Nils sich tätowieren lassen wollte, da kamen sie in den Laden gestürmt und haben dem Tätowierer genau gesagt, was er zu stechen hat. Wir hatten überhaupt kein Mitspracherecht. Sie sagten, da sie selbst kein Rückgrat hätten, müsse nun Nils ihre menschenverachtende Botschaft verbreiten…
Das ist wirklich schockierend. Ich denke, für heute haben wir genug gehört. Vielen Dank für das Interview euch beiden!

Nils zeigte uns seinen Rücken. Dank dem Auge soll er nun alle CSU-Feinde immer im Blick behalten.
Mit unseren neu gewonnen Eindrücken und Erkenntnissen verlassen wir schließlich Schönau. Vieles scheint auf den zweiten Blick doch anders, als es vom gekauften Online-Provinzblatt rosenheim24.de berichtet wurde. Selbstverständlich bleiben wir als neutrales Portal für unsere Leser an der Sache dran!
Hinweis für Allergiker: Trotz sorgfältigster Recherche kann dieser Artikel Spuren von Satire enthalten.


Er ist der ultimative Garant für seriösen Qualitätsjournalismus im Bauernland südlich des Güllegürtels. Neben seinem eigenen Blog, schreibt er auch regelmäßig für INNoffiziell und ist somit ein wichtiges Sandkorn im Getriebe der Verursacher von Missständen. Den Kampf gegen die korrupte Günstlingswirtschaft der Hinterwäldler hat er sich ganz groß auf die Fahne geschrieben.