Laternenmasten für „Volksverräter“ in Rosenheim

Rechtsradikale Umtriebe machen gelegentlich auch vor der schönen Stadt Rosenheim nicht halt. So geriet die Perle des Inntals pünktlich zur anstehenden Europawahl ins Fadenkreuz der Kleinstpartei Der III. Weg, welche jüngst wieder von sich reden macht. Die Neonazis reservierten Laternenmasten für sogenannte „Volksverräter“. Dass der III. Weg bekanntlich in Stalingrad endet, wurde bereits von anderer Seite festgestellt.

Joseph Hinschauer befasste sich mit dem Thema und verfasste einen Beitrag, welcher unter anderem an die Redaktion des Provinzportals rosenheim24.de ging. Nahezu selbsterklärend fand dieser dort keine Beachtung. INNoffiziell, das ehrliche Heimatmagazin und Portal ohne braune Vergangenheit, übernimmt deshalb diese wichtige Aufgabe.

In Rosenheim werden Laternen für Volksverräter reserviert – Ein Gastbeitrag von Joseph Hinschauer

Die rechtsradikale Kleinstpartei „Der III. Weg“ hat letzten Dienstag verstörende Wahlplakate zur Europawahl in Rosenheim aufgehängt. Doch dabei haben die selbsterklärten Nationalsozialisten gar keinen „Stützpunkt“ in Rosenheim. Woher kommen die massiv fremdenfeindlichen Plakate denn dann?

Am 26.Mai wird voraussichtlich das neunte Europäische Parlament gewählt. Auch wenn das allgemein als „Europawahl“ bezeichnete Ereignis nicht so polarisiert, wie die vergangene Bundestagswahl, ist die Wahlwerbung in Plakatform nicht mehr aus dem aktuellen Stadtbild wegzudenken. Auch vermehrt Artikel in den Zeitungen und vielleicht auch das ein oder andere Gespräch dreht sich wieder um Politisches.

Volksverräter

Von Kleinstgeistern für Kleinstgeister: Die „Wahlplakate“ von Der III. Weg in Rosenheim.

Sechs Wochen vor dem Wahltermin dürfen die politischen Akteure ohne vorherige Genehmigung öffentlich Werbung für ihre Sache machen. So steht es in Artikel 2 der „Verordnung über öffentliche Anschläge in der Stadt Rosenheim“. Auch wenn das so altbekannte Praxis ist und mit Sicherheit Wahlplakate jedem bekannt sein dürften, waren am sonnigen 16.April doch einige Rosenheimer Bürger überrascht oder schockiert und auch besorgt über ebenjene Wahlplakate.

Darauf zu lesen waren Sprüche wie „Reserviert für Volksverräter“. Die politische Brisanz zeigte sich erst nach einem Blick auf den Ort der „Wahlwerbung“, denn das ganze war an einer Laterne aufgehängt. Unmissverständlich ist das Ganze eine Anspielung auf die, zum Glück in Deutschland der Vergangenheit angehörenden, Praxis Menschen öffentlichen zu lynchen, indem man sie an Laternen aufknüpft.

Doch noch keine 80 Jahre ist es her, das in Deutschland Menschen, die nicht in das menschenverachtende System der Nazis gepasst haben, tatsächlich von Laternen hingen. Auch damals wurden sie „Volksverräter“ genannt. Im Dritten Reich wurden Kritiker des nationalsozialistischen Systems interniert, gefoltert und ermordet. Die allgemeine Rhetorik mit Begriffen wie sie wieder auf den Rosenheimer Plakaten zu lesen sind sollten damals die Bevölkerung noch weiter aufstacheln und die grausamen Taten rechtfertigen.

Zu Recht ist „Volksverräter“ auch das Unwort des Jahres 2016 geworden.  Am unteren Rand der Wahlplakate steht in weißen Lettern auf dunkelgrünem Grund „Der III. Weg“. Hierbei handelt es sich um eine neonazistische Kleinstpartei und somit den Urheber der fremdenfeindlichen Sprüche. Die 2013 in Heidelberg gegründete Vereinigung umfasst laut dem Verfassungsschutzbericht von 2017 ein Personenpotenzial von deutschlandweit etwa 500 Menschen.

Viele davon sind vorbestraft oder werden als „Gewalttäter Rechts“ in den Karteien geführt. Auch das Bundesinnenministerium bezeichnet die Partei hinter den Plakaten als eine „rechtsextremistische, antisemitische und menschenfeindliche Gruppierung“. Auch sei sie nicht bereit, sich „von Gewalttaten hinreichend zu distanzieren“. Diese Einstellung wird auch auf den zahlreichen Schildern in der Rosenheimer Innenstadt und im Bahnhofsviertel deutlich zur Schau getragen.

Eigentlich sind die Strukturen der Neonazis größtenteils auf Sachsen beschränkt. So hat die Gruppierung im sächsischen Plauen ein eigenes Büro eröffnet. Auch die früher im Text beschriebenen Wahlplakate konnte man das erste Mal vor ein paar Tagen in Chemnitz sehen. Danach folgten andere Städte in Sachsen und auch Thüringen. In Bayern hat es wohl als erstes Unterschleißheim und Unterhaching erwischt. Einen Tag später wurden die potenziell volksverhetzerischen Schilder dann auch hier in Rosenheim gefunden.

Auf der Website der Rechtsradikalen steht, dass „ein Freund der Partei aus München“ für die Plakatierungen verantwortlich wäre. Lokale linke Gruppen sehen allerdings kein umfangreiches Personenpotenzial im Raum Rosenheim und Umgebung. Trotzdem sollte man die Gruppe genauestens kontrollieren, denn viele Mitglieder sind schon in der Vergangenheit durch Gewalttaten aufgefallen.

Auch wird die Gruppe laut offiziellen Quellen mit Brandanschlägen in Verbindung gebracht sagen die Aktivisten und Aktivistinnen, die die Rechte Szene im Raum Rosenheim seit vielen Jahren genauestens im Blick haben. Doch es regt sich auch Widerstand gegen die Neonazis. Als erstes haben SPD und Grüne in Chemnitz Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet.

Daraufhin bezog auch die Stadt Chemnitz Stellung: „Die Stadt positioniert sich klar gegen Volksverhetzung. Diesen Verdacht sehen wir bei dem Plakat.“ Gemeint ist die Reservierung für „Volksverräter“ an der Laterne. Als Beweissicherungsmaßnahme wurden die fremdenfeindlichen Plakate mittlerweile abgehängt. Auch in Unterhaching ist die Gemeinde tätig geworden und hat selbst Anzeige erstattet. Pressesprecher Thomas Stockerl teilte mit: „Wir empfinden sie ( die Plakate ) auf jeden Fall als hetzerisch.“

Volksverräter

Ein Leser meldete uns dieses verdächtige Autokennzeichen zum Tatzeitraum in Rosenheim.

Wie viele Bürger sind auch immer mehr Gemeinden der Meinung, dass solche menschenfeindlichen Parolen nicht unter die wichtige Meinungsfreiheit fallen, sondern den öffentlichen Diskurs zunehmend vergiften und Hetze normalisieren. Auch das Bauverwaltungsamt Rosenheim hat nach mehreren Hinweisen aus der Bürgerschaft „die Partei aufgefordert, die Schilder unverzüglich zu beseitigen“. Sollte das nicht passieren, werden die Schilder von der Stadt entfernt.

Dies ist nicht nur durch den Inhalt der Plakate begründet, sondern auch durch Nichtbeachtung des dritten Absatzes von Artikel Zwei der Rosenheimer Plakatierungsverordnung. Dort steht eindeutig, dass eine Befestigung an Laternenmasten unzulässig ist. Da haben die Neonazis wohl das Kleingedruckte nicht genau gelesen und ihre versuchte Propagandaoffensive ist in unserer schönen Stadt nur von kurzer Dauer gewesen.

Laternen für Volksverräter

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